Folgen

 

Die gesundheitlichen Folgen häuslicher Gewalt können nach Hellbernd et al (2004) grob in tödliche und nicht tödliche Folgen unterteilt werden.
Tödliche Folgen sind zum einen Verletzungen, die aufgrund ihrer Schwere zum Tode führen (Mord, Totschlag, Körperverletzung mit Todesfolge im juristischen Sinne), zum anderen aber auch Suizidhandlungen der Betroffenen.

Nichttödliche Folgen lassen sich nochmals aufteilen in:

Körperliche Verletzungen
Darunter fallen Verletzungen, funktionelle Beeinträchtigungen (z.B. durch den Verlust einer Niere) und dauerhafte Behinderungen (z.B. nach Augenverletzungen).

(Psycho)Somatische Folgen
Hierunter fallen chronische Schmerzsyndrome (z.B. Unterbauchbeschwerden), das Reizdarmsyndrom, Magen-Darm-Störungen, Harnwegsinfektionen und Atemwegsbeschwerden. In der Studie von Schröttle (2004) wurde deutlich, dass das Erleben von häuslicher Gewalt zu einer Erhöhung körperlicher Beschwerden führte. So gaben 48,2% der betroffenen Frauen an, im vergangenen Jahr mehr als 11 körperliche Beschwerden gehabt zu haben (im Vergleich dazu gaben dies nur 28% der Nichtbetroffenen an).

Psychische Folgen
Hierunter fallen Posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen, Ängste, Schlafstörungen, Panikattacken, Essstörungen, der Verlust von Selbstachtung und Selbstwertgefühl und Suizidalität. Auf Psychische Folgen häuslicher Gewalt wird an anderer Stelle genauer eingegangen.
Gesundheitsgefährdende (Überlebens-) Strategien als Folgen: Sie umfassen u.a. die Einnahme von Alkohol, Drogen und psychotropen Medikamenten. Betroffene weisen außerdem einen höheren Nikotinkonsum auf. Sie rauchen etwa dreimal häufiger mindestens 10 Zigaretten täglich als Nichtbetroffene (Schröttle, 2004). Dazu kommt in einigen Fällen ein risikoreiches Sexualverhalten und selbstverletzendes Verhalten.

Folgen für die reproduktive Gesundheit
Hierunter fallen wiederholte Eileiter- und Eierstockentzündungen, sexuell übertragbare Krankheiten, ungewollte Schwangerschaften, Schwangerschaftskomplikationen und Fehlgeburten bzw. niedriges Geburtsgewicht. In der Studie von Schröttle (2004) gaben beispielsweise 30% der Opfer häuslicher Gewalt an, Komplikationen bei Schwangerschaft oder Geburt erlebt zu haben. Von den Nichtbetroffenen berichteten davon nur 21%.

Im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt stehen zahlreiche psychische Beschwerden und Symptomatiken. Sie entstehen zum einen aus der direkten Gewaltanwendung im Sinne eines traumatischen Erlebnisses zum anderen aus der Hoffnungslosigkeit und der Scham, die viele Betroffene plagt. Gewalt durch einen Partner bringt einen enormen Vertrauensverlust mit sich und ist häufig begleitet von einer Beschädigung des Selbstwertes.

Die Posttraumatische Belastungsstörung entsteht durch das Erleben eines einmaligen oder lang dauernden extrem belastenden Ereignisses, wie es die häusliche Gewalt in der Regel ist. Die Betroffenen fühlen sich während dieses Ereignisses (oder der wiederholten Ereignisse) bedroht, hilflos und voller Angst. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann (ICD 10: F43.1).

Eine häufige Folge von häuslicher Gewalt (etwa 36-46% der Betroffenen, Schröttle, 2004) ist Niedergeschlagenheit bis hin zur Depression. Bei den typischen leichten (F32.0), mittelgradigen (F32.1) oder schweren (F32.2 und F32.3) Episoden, leidet der betroffene Patient unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität. Die Fähigkeit zu Freude, das Interesse und die Konzentration sind vermindert. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung auftreten. Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträchtigt. Sogar bei der leichten Form kommen Schuldgefühle oder Gedanken über eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag wenig, reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von sogenannten „somatischen“ Symptomen begleitet werden, wie Interessenverlust oder Verlust der Freude, Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmung, Agitiertheit, Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust.

Nicht selten mit dem Erleben von Gewalt/ einem traumatischen Ereignis verbunden ist die Dissoziative Störung (F44). Sie wird definiert als Verlust der psychischen Integrität, des Erlebens und Handelns; als kurzzeitige Unterbrechung der eigenen Gesundheit, des Gedächtnisses, des Identitätserlebens und der Wahrnehmung der Umwelt. Sie kann nahezu allen neurologischen Krankheitsbildern ähneln (Gedächtnisverlust, plötzliche Flucht, Erstarren, Krampfanfall, Sensibilitäts- oder Empfindungsstörung).

Als weitere psychische Folgen von häuslicher Gewalt bei Frauen werden beschrieben (Schröttle, 2004):

  • Schlafstörungen und Alpträume (etwa 30%)
  • dauerndes Grübeln (50-70%)
  • vermindertes Selbstwertgefühl (36-55%)
  • erhöhte Ängste auch in Verbindung mit Panikattacken (18-24%)
  • Probleme im Umgang mit Männern / in sozialen Beziehungen (13-34%)
  • Symptome von Essstörungen (7-9%)
  • Selbstmordgedanken (6-9%)

Als im weitesten Sinne psychische Folgen können auch gesundheitsgefährdende Strategien zum Umgang mit der Problematik gewertet werden. Auf diese wird unter dem dem Punkt „Gesundheitliche Folgen“ eingegangen.